Das Merkwürdige an Geheimtipps ist ja, dass man sich meistens fragt, warum sie eigentlich so relativ geheim sind. Die →Region Tauberfranken, die wegen ihrer besonders idyllischen Landschaft mit ihren Städtchen, Weinbergen und einem sehr milden Klima gern als „lieblich“ bezeichnet wird, verdankt ihre Bekanntheit ja vor allem Deutschlands berühmtester Ferienroute – der Romantischen Straße. Schmuckstücke wie Rothenburg ob der Tauber wurden daher schon unzählige Male beschrieben und bedürfen hier eigentlich keiner weiteren Vorstellung. Umso mehr aber das untere Taubertal zwischen Tauberbischofsheim und Wertheim, durch das eine Vielzahl an Pilger-, Rad- und Wanderwegen durchführt und wo auch die Gamburg liegt.
Tauberbischofsheim selbst sei hier nur kurz erwähnt. Die schönsten Ecken findet man hier im südwestlichen Viertel der Altstadt. Vom Marktplatz aus, mit seinem südlich anschließenden Klosterhof, kann man sich Richtung Schlossplatz wunderbar in beschaulichen kleinen Gassen verlieren und dabei z.B. auf die alte Stadtmauer am Mühlbach stoßen. Das ehemals kurmainzische Schloss mit seinem Türmersturm beherbergt heute das Tauberfränkische Landschaftsmuseum. Sehenswert ist natürlich auch die Stadtkirche St. Martin.
Von Tauberbischofsheim aus lohnt sich ein kurzer Abstecher zur Achatiuskapelle in Grünsfeld- hausen, die als hochmittelalterliche Kreuzfahrerstiftung eng mit der Gamburg verbunden ist. Sie ist eine der mysteriösen tauberfränkischen Oktogon-Kapellen, die auch in Oberwittighausen und in Standorf zu sehen sind.
Jetzt aber weiter Richtung Norden! Das erste Tauberdorf auf der Strecke ist Hochhausen, mit seiner charakter- istischen Zwiebelturmkirche. Wer will, kann hier über eine reizende kleine St.-Nepomuk-Brücke einen Abstecher nach Werbach machen. Dort ist mitten im Neubaugebiet ein kleines keltisches Gräberfeld zu sehen. Solche Hügelgräber sind gerade hier im nördlichen Tauberfranken oft zu finden, denn Baden-Württemberg – das ist vielen nicht bewusst – war ja keltisches Kerngebiet! Selbst der Name „Tauber“ kommt einfach vom keltischen Wort für „schnelles Wasser“. Noch etwas weiter Richtung Osten erwartet einen dann über einer Quelle die schöne Wallfahrtskapelle Liebfrauenbrunn.
Ab Werbach verengt sich das bisher eher breite Taubertal immer mehr und beginnt, stark zu mäandern. Jetzt fängt die Romantik nämlich erst richtig an! Die Tauber schlägt jetzt ihren charakteristischen „Haken“. Der Grund ist ein geologischer Wechsel vom Muschelkalk zum Buntsandstein – der Spessart ist jetzt nicht mehr weit. Und noch etwas: „Ein Gang durchs Taubertal ist ein Gang durch die deutsche Geschichte“, heißt es oft. Das gilt für die nun folgenden Orte ganz besonders, denn die haben kulturgeschichtlich so einiges abbekommen! Daher liegt auch die eigentliche Stärke dieses Landstrichs in seiner erstaunlichen Dichte zum Teil hochbedeutender Kultur- und Geschichtszeugnisse und manch unerwarteter Kleinode. Wer hier einfach nur stur durchfährt, wird, trotz der wunderschönen Landschaft, das Beste verpassen!
Den Anfang macht Niklashausen. Schon mal gehört? Nein? Dann greife man im Bücherregal die deutsche Geschichte heraus und siehe da – meistens wird er sogar eigens erwähnt: Der Pfeiferhannes. Engels machte aus ihm einen Klassenkämpfer im falschen Jahrhundert und Fassbinder inszenierte ihn als Früh-68er. In Wahrheit war er ein einfacher Hirte der im Jahre 1476 behauptete, die Jungfrau Maria sei ihm erschienen und hätte ihn aufgefordert zu predigen. Hierbei verkündete er zahlreiche radikale Ideen, die denen der späteren Reformation und des Bauernkrieges oft verwandt erscheinen. Das ganze löste bald eine Massenwallfahrt mit insgesamt 70.000 Pilgern aus dem ganzen Reich aus. Das war damals ca. 14 Mal die Einwohnerzahl Würzburgs! Er selbst endete dann aber schließlich auch auf einem Würzburger Scheiterhaufen. Heute informiert das Pfeifermuseum über die damaligen Ereignisse und das dörfliche Leben. Die schöne Dorfkirche am Ortseingang ist ein Nachfolgebau der ehemaligen Wallfahrtskirche. Außerdem gibt es neben der ehemaligen Höhle eines Einsiedler-Begharden einen historischen Weinberg zu bewundern.
Nach Niklashausen öffnet sich das Tal plötzlich wieder und man nähert sich von hinten dem nächsten Kulturhighlight: Der Gamburg. Im gleichnamigen Dorf bietet sich an der Tauberbrücke vor dem Gästehaus Martin eine wahre Bilderbuchszenerie: Brücke, Fluß, Dorf, Hügel, Burg – Gamburg! Auf dem Wasser schwimmen meist Schwäne oder Kanus. Der spitze Turm der Pfarrkirche scheint fast bis an die Burg heranzuragen. Im Innern der Kirche befindet sich eine Riemenschneidermadonna für die vom Gamburger Künstler Thomas Buscher ein neugotischer Seitenaltar angefertigt wurde.
Über den Burgweg gelangt man auf die Gamburg. Dort kann man entweder an einer →Führung durch Burg und Burgpark teilnehmen, im →Burgcafé die Aussicht ins Tal genießen oder an einer der zahlreichen →Veranstaltungen und Kurse teilnehmen. Über den steilen Hohlweg kann man, vorbei am malerischen „Türmle“, den ehemaligen Weinbergen und dem barocken „Unteren Schloss“, den Burghügel wieder hinunter und aus dem Dorf hinaus Richtung Bronnbach fahren. Auf halbem Weg erkennt man, etwas versteckt, einen kleinen Weiler namens Eulschirben. Von außen kann man das kuriose Renaissanceschlösschen, die „Eulschirbenmühle“ zu bewundern, das wie ein verlorenes Kleinod direkt an der Tauber liegt. Es soll einst vom Herren der Gamburg für eine Flussfee, →die schöne Melusine, erbaut worden sein. Es fällt nicht schwer, sich das hier vorzustellen…
Nun geht es durch tiefe Täler wieder weiter zum Kloster Bronnbach. Eine lange Brücke, welche nach der Prager Karlsbrücke die größten Bogenspannweiten unter den gotischen Brücken Mitteleuropas aufweist führt vom heutigen Bahnhof zum Klosterareal. Dieses ist mit seinen vielen dazugehörigen Bauten noch sehr gut erhalten. Besonders zu erwähnen ist in Bronnbach die Orangerie, heute ein Restaurant, mit dem größten Außenfresko nördlich der Alpen. Die barocke Allegorie zeigt eine Art arkadisches Paradies, welches man fast als Sinnbild für das gesamte liebliche Tauberfranken verstehen könnte. Aus der Barockzeit stammt auch der prächtige Josephsaal. Wirklich eindrucksvoll ist aber vor allem das Innere der Klosterkirche: Kühle Zisterzienserromanik kontrastiert dort mit einzelnen opulenten Barockaltären – sehr atmosphärisch! Wie es sich für ein ordentliches Kloster gehört, hat auch Bronnbach natürlich einen wundervollen Kreuzgang. Übrigens auch zwei barocke Gärten, nämlich den Abteigarten und den Saalgarten, sowie einen kleinen Kräutergarten. Und – last but not least – einen eigenen Weinberg!
Nach diesem schönen Klostereiland folgt man den Tauberwindungen weiter nach Reicholzheim. Interessant ist hier vor allem das mysteriöse „Steinkreuznest“ oben am Ortsende. Ein paar Taubertäler Jungs sollen sich dort, so die Sage, wegen eines hübschen Mädels an die Gurgel gegangen sein. Immer die gleiche alte Geschichte! Der Radweg führt weiter nach Waldenhausen, wo vor allem die dortige Wehrkirche erwähnenswert ist. Von denen gibt es in der Umgebung übrigens gleich mehrere, wie z.B. auch die Jakobskirche in Urphar – oft richtige kleine Schätze!
Schließlich gelangt man ins wunderschöne Wertheim! Die Stadt befindet sich an der Mündung der Tauber in den Main, über der bis heute die gleichnamige Burg thront – noch als Ruine eine prächtige Anlage. Die Mündung selbst markiert der „Spitze Turm“. Die Stadt ist hart unter dem steilen Burgfelsen gebaut, ihr Zentrum ist der historische Marktplatz mit seinen malerischen Fachwerkhäusern und dem Engelsbrunnen. Unweit davon stehen die Stiftskirche, die Kilianskapelle und auch die Marienkapelle – alles spätgotische Schönheiten. Interessant sind auch das Grafschaftsmuseum und das Glasmuseum. Wertheim ist ja überhaupt eine „Glas-Stadt“ – wie gesagt, der Spessart ist ja nebenan. Als Museum dient auch das geradezu schnuckelige Hofgartenschlösschen. In der ehemals Fürstlichen Hofhaltung hat sich heute das Rathaus einquartiert. Übrigens gibt es in Wertheim auch viele gute Restaurants und Gaststätten. Insgesamt eine sehr sehenswerte Stadt! Fast ein zweites Rothenburg am anderen Ende des Taubertals… 😉